Feedback im schülerzentrierten Unterricht - Mensch, Peer und/oder KI

Von am 16.12.23
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Vor vielen Jahren habe ich meinen Unterricht umgestellt: mehr Coach sein, mehr Zeit für unser Lernen, mehr schülerzentriertes Arbeiten, viel weniger selbst im Mittelpunkt stehen - das war das Ziel. Dies gelang, aber was fängt man jetzt mit dieser gewonnenen Zeit an? Ich war in meiner Rolle überfordert und suchte einfach ständig das Gespräch mit meinen Schüler:innen. Das gelang meistens hervorragend, mit Klassen, in denen die Lehrer-Schüler-Beziehung angespannt war, manchmal weniger. Parallel zu meinen Versuchen, Unterricht umzudrehen, begann ich viel über Unterricht zu lesen, als Berater für Digitale Bildung musste ich mich intensiver mit Gelingensbedingungen bei der digitalen Transformation auseinandersetzen. Heute weiß ich, dass meine hemdsärmligen ersten Versuche wahrscheinlich funktioniert haben, weil ich gewonnene Unterrichtszeit für viel Feedback genutzt habe – in alle erdenklichen Richtungen. Mit diesem Wissen habe ich immer weiter probiert, neue Varianten der Rückmeldung/Unterstützung/Reflexion unterzubekommen. Das war auch notwendig, denn mit großen Klassen war ich immer überforderter, jedem Schüler bezüglich Rückmeldung gerecht zu werden – am Ende bekamen manchmal nur die ein Feedback, die es einforderten.

Coachende Lehrkraft

Mein Unterricht ist so ausgerichtet, dass ich fast immer im Hintergrund agieren kann. Also gehe ich umher und versuche so viele Schüler wie möglich beim „Gut-Sein“ zu erwischen und ihnen das mitzuteilen. Das ist ziemlich unkoordiniert, aber in meinen Augen sehr wirksam. Wenn es noch nicht so klappt, gibts so viele Tipps wie nötig sind, dass der nächste Schritt ermöglicht wird. Manche brauchen auch einen extra Push zum Loslegen, um in einen Flow zu kommen. Egal wie, Rückmeldungen zum Lernen werden von meinen Schüler:innen sehr positiv wahrgenommen: „Sie haben sich um uns gekümmert.“

Also gehe ich umher und versuche so viele Schüler wie möglich beim „Gut-Sein“ zu erwischen und ihnen das mitzuteilen.

Schüler:innensprechstunde

Weil unkoordiniertes Feedback dazu führt, dass ein Ungleichgewicht in der Verteilung des Feedbacks entsteht, habe ich immer eine Klassenliste dabei, um gezieltes Feedback zu geben. So ein wenig wie ein Lernentwicklungsgespräch: Wie kommst Du mit dem Unterricht/Thema zurecht? Was möchtest Du beim nächsten Test erreichen? Wie kann ich Dir helfen, besser zu lernen? Weil ich das oft vergesse, notiere ich mir stichpunktartig die Antworten der Schüler:innen und sehe so auch, bei wem ich schon länger nicht mehr „zu Besuch“ war. Auch wenn diese Gespräche eher kurz sind – irgendwie brauche ich noch viel zu lange, bis ich bei jedem einmal war. Das könnte ich auch mit Tools machen, hier bevorzuge ich bisher den persönlichen Kontakt, auch weil die Lehrer-Schüler-Beziehung neben dem Feedback mMn ein sehr wichtiges Gut ist.

Automatisiertes Feedback

Je mehr man die Magie des Feedbacks erkennt, desto frustrierter wird man, wenn man nicht allen in der Klasse zeitnah eine Rückmeldung zum aktuellen Lernstand geben kann. Daher baue ich, wo es geht, automatisiertes Feedback ein, oder wie man das auch immer nennen soll. Zu Beginn standen einfach nur alle Lösungen, Erwartungshorizonte oder Beispielprodukte zur selbstständigen Kontrolle/Reflexion digital zur Verfügung. Mit bettermarks kam dann ein echter Gamechanger in meinen Mathematikunterricht. Aufgaben oder (digitale) Bücher passend zum Unterricht und nach jeder Aufgabe direkt eine Rückmeldung, um besser weitermachen zu können. Mittlerweile nutze ich das nicht nur zum Üben/Lernen, sondern auch für Tests. Per Klick weiß jeder gleich sein Ergebnis. Mit ausreichend Vorbereitungsmöglichkeiten fallen diese dann auch noch besser aus als auf Papier. Beim Üben ermöglichen bettermarks oder auch die GeoGebra Classrooms von Ferdinand Stipberger eine tolle Rückmeldung. Ich weiß ziemlich gut, wo meine Kids gerade stehen, wie es weitergehen sollte und welche Lücken aufgefangen werden müssen.

Peer-Feedback

Es gibt immer ein paar Schüler:innen in der Klasse, die von mir von Aufgaben befreit sind und anderen Klassenkamerad:innen helfen dürfen. Dabei werden sie von mir auch angeleitet, das Feedback sollte wohlwollend, verbal, ohne Stift und im Sinne von Tipps sein. Im Dialog wird so noch mehr gelernt und einzelne Schüler:innen fordern auch lieber Peers an, als den Mathelehrer selbst. Bei der Erstellung von Lernprodukten geben sich die Kids untereinander manchmal auch Feedback zum Ergebnis. Das löse ich meistens über ein Padlet oder Taskcards. Hier imitieren mich die Schüler:innen oft. So wie ich Feedback gebe, geben sie auch Ihren Klassenkamerad:innen Rückmeldung. Manchmal ist auch eine hinführende Aufgabe im Flipped Classroom zu Hause mit Peer-Feedback versehen. Die Kids suchen z.B. im Internet ein Viereck Ihrer Wahl, posten es auf Taskcards, schreiben zwei Eigenschaften dazu und geben Rückmeldung zu zwei Posts anderer Schüler:innen. So haben wir im Unterricht bereits eine gute Grundlage, um weiterzuarbeiten und tiefer ins Thema und auch ins Feedback zum Geposteten einsteigen zu können.

Die Ergebnisse der Schüler:innen zur “Viereck-Suche”.

Feedback beim produktorientierten Lernen

„Erstellt einen Podcast und gebt ihn bis Freitag, 14 Uhr bei mebis ab.“ So lautete einmal ein Auftrag, der komplett in die Hose ging. Die Ergebnisse waren nicht sonderlich gut und einige gaben einfach gar nichts ab. Deshalb gibt es jetzt Etappen bei der Erstellung eines Produkts: Recherche im Internet und Sammeln von Informationen, offene Fragen mit ChatGPT beantworten lassen, Skript verfassen/vervollständigen, Skript mit ChatGPT auf Mängel überprüfen lassen, Podcast aufnehmen. Nach jeder Etappe gebe ich jedem Schüler ein kleines Feedback und behalte so den Überblick, wer wo steht. Damit sind die Ergebnisse am Ende deutlich besser, auch weil ich den Prozess gut mitbewerten kann. Und gelernt ist wahrscheinlich auch deutlich mehr.

Schüler:innenfeedback

Am Ende des Jahres befrage ich alle meine Klassen anonym zu meinem Unterricht und versuche, mit dieser Rückmeldung eine Feinjustierung meiner Arbeit vorzunehmen. Meistens brauche ich das aber gar nicht mehr. Denn unter dem Jahr haben so viele Gespräche stattgefunden, dass ich schon weiß, was ich besser machen kann. Auch durch das automatisierte Feedback kann ich schnell meinen Unterricht anpassen, Lernzeiten verlängern oder verkürzen. So muss auch mein Unterrichtsmaterial angeordnet sein, dass ich die Zeit für einen Lerngegenstand immer wieder neu bemessen kann.

KI als Feedback-Tool

Im IT-Unterricht setze ich fast seit einem Jahr ChatGPT in fast jeder Stunde ein. Die Kids sind angehalten, Ihre Recherche oder Ihre Arbeit mithilfe von KI besser zu machen. Das würde hier im Detail zu weit führen. Da ich aber gefühlte Vergleiche habe, als ich KI noch nicht zur Verfügung hatte, merke ich eine deutliche Verbesserung beim Lernzuwachs. Auch wenn viel Input durch die KI erfolgt, war es doch die individuelle Lernreise der Schüler:innen, die dazu geführt hat. Daher sehe ich ein riesiges Potenzial auch in Tools wie fiete.ai. Eine individuelle Rückmeldung und Verbesserungsvorschläge, bevor eine Note gemacht wird, das kann eine Lehrkraft oft nicht leisten oder man hat dann viel weniger Zeit für andere wichtige Dinge. Da freue ich mich auch die weitere Entwicklung.

Um das alles zu ermöglichen, ist es notwendig, Zeit im Unterricht zu haben und diese auch sinnvoll für viele Dialoge zu nutzen. Daher verstehe ich heute immer weniger, wie Lernerfolge im lehrerzentrierten Unterricht nachhaltig möglich sein sollen. Würde man Schülerzentrierung und Feedback ernsthaft betreiben, bräuchten wir keine Diskussion über die Abschaffung von Noten. Mit adaptiven Lernsystemen und Künstlichen Intelligenzen kann Feedback bestimmt auf ein neues Niveau gehoben werden. Manchmal erwische ich einen schlechten Tag und dann fällt auch mein Feedback vielleicht nicht mehr so positiv aus wie sonst. Daher brauchen wir auch solche Systeme, damit Lernen nicht von der Laune oder der Einstellung der Lehrkraft abhängig ist. Vielleicht sollten wir auch in der Lehrerschaft mehr über gegenseitiges Feedback nachdenken, um die Magie dahinter kennenzulernen. Am Ende ist hier die Technik eine Entlastung: Unterricht ist auch Beziehungsarbeit im Team. Dafür brauchen wir Zeit und deshalb nehme ich jede Hilfe an, die mich beim lernförderlichen Feedback entlasten können – und da gibt es schon einiges.

Der Autor

Sebastian Schmidt, Lehrer (M/Kr/IT), Berater Digitale Bildung, erw. Schulleitung, Schulentwicklungs- und Medienkonzeptkoordinator, verheiratet, 3 Kinder, auf fast allen Social Media Plattformen unter flippedmathe zu finden.