Recherchieren wir in einschlägigen Suchmaschinen nach „Feedback“ und schauen wir uns einmal an, welche Bilder vorgeschlagen werden, so erhalten wir sehr schnell einen Eindruck vom alltagsweltlichen Begriffsverständnis:
nach oben oder unten gereckte Daumen, lächelnde oder grummelige Smileys, abgehakte Checklisten, Notenskalen... Feedback wird mit Kritik, Bewertung, Beurteilung, Benotung oder Evaluation gleichgesetzt. Hier verschwimmen jedoch wichtige Grenzen: Während Feedback eine Wahrnehmung und deren Wirkung beschreibt (also deskriptiv vorgeht), stellt Kritik eine explizite Bewertung dar (und agiert somit normativ). Und je nach Kontext wird im Deckmantel eines vermeintlichen Feedbacks sogar noch die präskriptive Keule geschwungen (also „vorgeschrieben“, was Person XY beim nächsten Mal anders/besser zu machen habe).
Nun ist es nicht so, dass ein echtes Feedback als Format per se „besser“ oder „schlechter“ als ein Kritikgespräch oder eine schriftliche Evaluation sei – das würde ihm schließlich auch seine Glaubwürdigkeit nehmen, wenn es dies für sich in Anspruch nähme. Vielmehr geht es um die Passung, also um die situationsangemessene Auswahl des stimmigeren Formates. So gibt es Anlässe, für die sich ein Feedback-Gespräch eher eignet, und andere, in denen wiederum ein Kritikgespräch oder ein Evaluationsinstrument die geeignetere Wahl wäre.
Feedback kann zum Beispiel angebracht sein, wenn es sich um symmetrische Konstellationen handelt oder die Augenhöhe betont werden soll, wenn nicht zwischen richtig und falsch unterschieden werden kann, wenn es um Fragen der Persönlichkeitsentwicklung geht oder wenn deutlich zwischen Leistung, Verhalten und Personenebene differenziert werden soll.
Kritik hingegen ist angemessen, wenn Vorgaben nicht eingehalten werden, wenn ein Gefährdungspotenzial aus fahrlässigem oder gar vorsätzlichem Verhalten hervorgeht, wenn Hierarchien betont und gelernt werden sollen, wenn die Sache und weniger die Person im Vordergrund steht.
Doch solange die Unterschiede nicht klar sind, kann keine fundierte Entscheidung getroffen werden, welche „Gattung“ in welcher Situation angezeigt ist.
Der Begriff des Feedbacks wurde – aus der Technik stammend – erst spät auf die zwischenmenschliche Kommunikation übertragen. Heute wird er inflationär verwendet und in seiner Bedeutung nur allzu oft verschoben. Selbst in einschlägiger Literatur zu Feedback finden wir teils abenteuerliche Definitionen oder Setzungen.
Bei „echtem“ Feedback werden, das ist bereits die Pointe dieses Artikels, weder die Person noch deren Verhalten bewertet. Die Idee dahinter ist recht simpel: Bewertungen gehen stets mit Auf- und/oder Abwertungen einher, die die Beziehung zwischen Sender und Empfänger beeinflussen – was eine defensive oder protektive Imagearbeit evozieren kann (vgl. Goffman). Die Gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg geht sogar so weit, dass eine jede Bewertung (auch die positive!) einen gewaltvollen Kommunikationsakt darstelle. Denn es kann auch dann ein Gefühl der Asymmetrie entstehen, wenn sich Person A anmaßt, ein Verhalten von Person B lobend zu bewerten. Damit gehört aber auch das Lob eindeutig in die Kategorie der Kritik (und die Wertschätzung hingegen in den Bereich des Feedbacks).
Hier lässt sich eine interessante Parallele zum Bereich der Beratung und des Coachings ziehen: Während die beratende Person in dem einen Setting Fachberatung betreibt, ist sie in einem anderen Setting vielleicht eher Prozessberatung. In Setting A verfügt die Beratung über fachliche Expertise, in Setting B trägt sie die Verantwortung für die Prozessqualität. Eine fachliche Leistung oder Entscheidung zu bewerten, liegt in Setting A viel näher als in Setting B. Lehrkräfte haben hier jedoch (wie so oft) eine Doppelrolle inne: Sie beraten und begleiten ihre Schülerinnen und Schüler auf ihrem Lernweg und müssen sie zugleich immer wieder auch prüfen und bewerten. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass sich ein echtes Feedback im Bewertungssystem Schule nur schwer durchzusetzen vermag.
Dennoch ist es nützlich, den genauen Unterschied zu kennen und in Sprache übersetzen zu können. Denn eine bewertende Rückmeldung bspw. in symmetrischen Konstellationen, z. B. innerhalb des Kollegiums zwischen zwei Lehrkräften, ist grundsätzlich heikel und damit abhängig vom Diplomatiegeschick, von der Kommunikationskompetenz und der Beziehungsstabilität der beteiligten Protagonisten.
Rückmeldungen innerhalb des Klassenraums, v. a. in der Lehrer-Schüler-Konstellation, erscheinen zunächst unproblematischer, da sich die Lehrperson hier qua Amt in einer hierarchisch höhergestellten Position befindet und die Schüler:innen üblicherweise um ihren inferioren Status wissen. Bewertungen gehören hier zur rollengemäßen Aufgabe der Lehrperson und das „Bewertetwerden“ zur Rolle der Lernenden. Soll dieses Verhältnis umgekehrt werden, d. h. sollen die Lernenden ihrer Lehrperson eine Rückmeldung zu Unterricht, Methodik, Komplexität des Stoffes o. Ä. geben, wird die Situation abermals heikel. Allerdings auch nur so lange, wie Feedback mit Kritik gleichgesetzt wird und eine bewertende Funktion einnimmt…
Denn wer echtes Feedback als bewertungsfreie Rückmeldung zu formulieren imstande ist, hat nichts zu befürchten. Dies setzt jedoch eine hohe kommunikative Sensibilität voraus – nicht im Sinne eines Pseudo-Feedbacks als weichgewaschene Kritik, sondern im Sinne einer Formulierung, in der die Wahrnehmung und Wirkung einer beobachteten Situation beschrieben werden und die Bewertung konsequent dem Empfänger überlassen bleibt.
Hierzu bedarf es jedoch nicht nur der Sensibilisierung und Begriffsschärfung/-trennung, sondern auch des Kommunikationstrainings. Und das ist bewusst nicht nur auf die Schülerinnen und Schüler, sondern auch auf die Lehrkräfte bezogen. Denn: Je länger wir bestimmte Kommunikationsmuster in uns tragen, desto häufiger haben wir sie bereits in unserer Biografie angewendet und als desto „normaler“ haben wir sie verinnerlicht.
Dies zunächst zu deautomatisieren und neue Sprachmuster zu entwickeln, kann ein durchaus müßiger und mitunter langwieriger Prozess sein – der jedoch sehr lohnt! Denken wir hier allein an die zahlreichen widersprüchlichen Definitionen und Methoden, welche in Literatur und Netz kursieren: So gilt ja beispielsweise die Sandwich-Formel (s. Abbildung) als sehr gebräuchliche Feedback-Methode. Und auch die „Feedback-Regel“, immer sowohl etwas Positives als auch Negatives zurückzumelden, spukt hartnäckig in unseren Köpfen und führt Feedback als bewertungsfreie Rückmeldeform sogleich ad absurdum.
Hier kommt noch folgende Erschwernis hinzu: Wenn wir Schülerinnen und Schüler an das Verständnis eines echten Feedbacks heranführen möchten, dann stellt sich die Frage, wer hierfür Rollenmodell sein kann. Denn WEDER die Lehrkräfte NOCH die Lernenden haben die verschiedenen Rückmeldeformate in ihrer Differenziertheit (kennen) gelernt.
Und wenn dann bspw. ein (sogenanntes) Feedback zu einer Referatssituation gegeben werden soll, orientieren sich die Schüler:innen a) an dem (in der Regel bewertenden) Rückmeldestil ihrer Lehrperson und melden sie b) ihre Beobachtungen zurück, denen kein geschulter Blick zugrunde liegt. Dadurch bleibt Peerfeedback oft hinter seinen Möglichkeiten zurück: Weder die Formulierungen entsprechen einem echten Feedback, noch sind die inhaltlichen Äußerungen so differenziert, dass sie dem Empfänger einen echten Erkenntnisgewinn eröffnen.
Schülerfeedback ist daher leider oft redundant und wenigsagend, da man sich notgedrungen auf bekannte Allgemeinplätze wie Füllwörter, Lautstärke oder Artikulation beschränkt. Doch erst wenn wir um Proxemik, die Wirkung prosodischer Merkmale oder die verschiedenen Gestentypen wie Illustratoren, Embleme oder Adaptoren wissen, können wir wirklich konkretes und anschlussfähiges Feedback geben. Darin liegt die Krux.
Was lässt sich daraus ableiten? Lehrkräfte benötigen Fortbildungen, um sich einem neuen Verständnis von Feedback anzunähern und den Mehrwert für ihre schulische Arbeit zu erkennen, und sie brauchen Trainings, um althergebrachte Sprachmuster zu identifizieren und – zumindest für den Moment des Feedbacks – ad acta zu legen. Insofern ist es aus Sicht der Schul- und Personalentwicklung eine doppelte Aufgabe: sowohl die Feedback-Kultur der Schule als auch die Feedback-Kompetenz der einzelnen Akteure unter die Lupe zu nehmen und weiterzuentwickeln.
Dabei sind Feedback-Methoden sinnvollermaßen erst der zweite Schritt – getreu dem Motto: erst die Haltung, dann die Handlung.
Methoden können aber dabei helfen, uns leichter (oder überhaupt) an das Format zu halten. Nützlich ist beim Erlernen von Feedback auch die Arbeit mit Filtern:
- Ist meine Beobachtung richtig? Oder unterliege ich womöglich einer Wahrnehmungsverzerrung oder -einengung? (Zum Beispiel von drei binnen kurzer Zeit gefallenen „ähms“ darauf zu schließen, dass der Sprecher „ständig“ Füllwörter verwendet habe.)
- Ist meine Beobachtung relevant? (Bringt sie dem Empfänger einen potenziellen Mehrwert?)
- Ist sie anschlussfähig? (Kann der Empfänger sie nachvollziehen und für seinen Lernweg nutzen?)
Denn nicht alles, was ich wahrnehme, muss ich auch gleich zurückmelden. Nicht alles, was ich zurückmelde, kann von meinem Gegenüber angenommen werden. Und nur wenig dessen, was mein Gegenüber annimmt, kann auch in Verhaltensänderung übersetzt werden.
Für die Entwicklung echten Feedbacks ist es hilfreich, sich mit den Grundsätzen des Konstruktivismus auseinanderzusetzen. Dies kann dabei unterstützen, die subjektive Wahr-Nehmung nicht mit Wahr-Heit zu verwechseln und die o.g. Filtersiebe anzuwenden.
Darüber hinaus gilt es, die eigene Wahrnehmungskompetenz und Analysefähigkeit zu schulen und sich zu fragen: Was habe ich wahrgenommen/beobachtet? Was davon hat mit mir, was mit meinem Gegenüber und was mit dem Setting zu tun? Zu welcher inneren Bewertung/Attribuierung hat mich die Wahrnehmung ggf. verleitet? Was kann ich fernab der Bewertung zurückmelden? Wie formuliere ich meine Beobachtung so, dass meine Be-Schreibung nicht gleich zu einer Zu-Schreibung mutiert? „Ich habe wahrgenommen, dass du nervös warst.“ ist bspw. keine Beschreibung, da wir hier schon etwas in das Beobachtete hineinlegen, was unserer Interpretation entspringt. Wertvoller wäre hier die Beschreibung des Beobachteten und nicht die Beschreibung des Daraus-Abgeleiteten.
Damit wird die Entwicklung von Feedback-Kompetenz auch zu einer Aufgabe der Persönlichkeitsentwicklung. Denn wir werden immer wieder aus dem Beobachteten (vor-)schnell Schlussfolgerungen ableiten und generalisieren, werden uns triggern lassen und in eigenen Bewertungsmustern verstricken.
Somit liegt in einem echten Feedback eine immense Lern- und Entwicklungschance für beide Parteien: die empfangende UND die sendende.
Abschließend sei betont, dass es bei Feedback nicht bloß um Nomenklatur geht, sondern sehr wohl um genaue Formulierungen bzw. Formulierungsgenauigkeit. Insofern lässt sich konstatieren: Ein bewertungsfreies Feedback ist kein wertfreies! Im Gegenteil: Durch seine Bewertungsfreiheit wird es umso wert-voller.
Quellen
- Goffman, E. (1994): Interaktionsrituale. Über Verhalten in direkter Kommunikation. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
- Hattie, J. (2014): Lernen sichtbar machen für Lehrpersonen. Baltmannsweiler: Schneider.
- Labov, W. (1971): Das Studium der Sprache im sozialen Kontext. In: Klein, W./Wunderlich, D. (Hrsg.): Aspekte der Soziolinguistik. Frankfurt am Main: Athäneum. S. 111–194.
- Rosenberg, M. B. (2013): Gewaltfreie Kommunikation. 11. Auflage. Paderborn: Junfermann.
- Sawatzki, D. (2012): Professionell Rückmeldung geben: Das müssen Sie wissen. In: www.lehrerbüro.de.
- Sawatzki, D. (2012): So schaffen Sie eine konstruktive Feedback-Kultur. In: www.lehrerbüro.de.
- Sawatzki, D., Becker, B., Ewering, T., Friedrich, J. & Preuß, C. (2016): Kooperatives Lernen. Das Praxisbuch. Augsburg: Auer Verlag.
Zum Autor
- zertifizierter Systemischer Coach (SG)
- Gründer und Geschäftsführer des Instituts für Schulentwicklung und Hochschuldidaktik
- ehem. Projektleitung der Moderierendenmaßnahme der Digitalen Fortbildungsoffensive des MSB NRW (2022)
- Fortbildungs- und Tagungsmoderator (u. a. für den Deutschen Schulpreis der Robert-Bosch-Stiftung, das Landesprogramm Bildung und Gesundheit NRW, das Netzwerk Hochschuldidaktik NRW)
- Autor und Herausgeber verschiedener Buchpublikationen und Kartensets (u. a. bei Beltz, Auer, Persen)
- Entwickler verschiedener digitaler Tools (u. a. digitaler-stuhlkreis.de, didaktische-schieberegler.de, screenar.io, coachingspace.net)