Was haben konstruktive Unterstützung und Feedback mit dem schulischen Wohlbefinden der Schüler:innen zu tun? Eine ganze Menge, glaubt man dem Deutschen Schulbarometer vom 20. November 2024.
In regelmäßigen Abständen werden Haltungen, Herausforderungen und Bedarfen von Lehrkräften und Schüler:innen ermittelt. Die nun erschienene repräsentative Befragung setzt den Fokus auf die psychische Gesundheit und das schulische Wohlbefinden der 8-17-jährigen Kinder und Jugendlichen.
Schulisches Wohlbefinden – Warum ist das wichtig?
Schulisches Wohlbefinden beschreibt ein subjektives Gefühl der Zufriedenheit, Freude und emotionalen Sicherheit im schulischen Kontext. Es entsteht bei Schüler:innen, wenn positive Emotionen wie Freude und Motivation in Bezug auf Schule und deren soziale Beziehungen (zu Lehrkräften und Mitschüler:innen) negative Empfindungen wie Angst oder Stress überwiegen.
Die zentralen Ergebnisse des Schulbarometers verdeutlichen, dass bei viele Kindern und Jugendlichen diese Bilanz negativ ausfällt. Stress, Angst und Leistungsdruck dominieren die positiven Gefühle:
Etwa ein Fünftel der Schüler:innen beschreiben sich psychisch belastet. Der Wert liegt damit weiterhin über dem präpandemischen Niveau. Bei der Einschätzung der Lebensqualität geben 27% der Kinder und Jugendlichen an, diese sei gering. Ein Fünftel sorgt sich um die eigene Zukunft und ein weiteres Fünftel verzeichnet ein insgesamt geringes schulisches Wohlbefinden.
Diese Zahlen sind ein Alarmsignal, da sich die unterschiedlichen Belastungsfaktoren nicht nur auf die Psyche negativ auswirken, sondern auch gravierende Konsequenzen für die schulischen Leistungen besitzen: Wer sich sorgt, Angst hat und gemobbt wird, der hat den Kopf nicht für das Lernen frei.
Auf diesen Zusammenhang hat Prof. Julian Schmitz, der wissenschaftliche Projektleiter des Deutschen Schulbarometers, bereits Anfang des Jahres in einem Blogbeitrag hingewiesen:
„Zudem erleben es Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte, Schulleitungen und Eltern tagtäglich, wenn Kinder und Jugendliche psychisch leiden, dann fehlt ihnen zu oft die Grundlage, um ihr Leistungs- und Lernpotential in Schule und Unterricht abzurufen. Sie werden durch Selbstzweifel, Konzentrationsprobleme oder überbordende Gefühle schulisch ausgebremst. Darum ist es so wichtig, dass wir Schule und psychische Gesundheit gemeinsam betrachten und berücksichtigen. “
Gegen Kriege, die ungleiche Verteilung von Vermögen und eine defizitäre Psychotherapeut:innenversorgung kann Schule wenig ausrichten. Doch es gibt Stellschrauben, die es Lehrkräften erlaubt, einen positiven Beitrag zum schulischen Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen zu leisten - ganz unmittelbar durch die Unterrichtsqualität.
Die wichtigste Quelle für ein positives schulisches Wohlbefinden liegt in einer unterstützenden Unterrichtsgestaltung: Schüler, die von ihren Lehrkräften konstruktives, individuelles und ermutigendes Feedback erhalten, berichten von einem deutlich höheren schulischen Wohlbefinden. Solches Feedback stärkt nicht nur das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, sondern unterstützt auch den Lernprozess, indem es gezielt Rückmeldung dazu gibt, was die Schüler bereits gut beherrschen und woran sie noch arbeiten müssen.
„Die Ergebnisse zeigen, dass das schulische Wohlbefinden der Schüler:innen am stärksten von der konstruktiven Unterstützung durch Lehrkräfte abhängt. Schüler:innen, die sich durch ihre Lehrkräfte emotional (z. B. durch Mut machen bei schwierigen Aufgaben) und in ihrem Lernprozess begleitet fühlen, weisen insgesamt ein höheres schulisches Wohlbefinden aus als Schüler:innen, die diese Unterstützung nicht wahrnehmen. (Deutsches Schulbarometer, Seite 47)“
Die Umfrage-Ergebnisse verdeutlichen jedoch, dass ein erheblicher Teil der Schüler genau diese Unterstützung vermisst. So berichten 37% der Befragten, dass Lehrkräfte ihnen selten oder nie erklären, was sie verbessern können, während 28% angeben, dass ihnen kaum aufgezeigt wird, wie sie Fehler korrigieren können. Auch die fehlende Ermutigung bei schwierigen Aufgaben wird von 37% kritisiert.
Diese Defizite beim Feedback-Geben wirken sich negativ auf die Motivation und das Wohlbefinden aus, da sie Unsicherheiten und Frustration verstärken können.
Gleichzeitig zeigt sich, dass konstruktive und wertschätzende Rückmeldungen, kombiniert mit einer positiven und unterstützenden Lernumgebung, die emotionale Sicherheit und Lernfreude fördern. Dies betont die Notwendigkeit, die Feedback-Kultur im Unterricht zu stärken, um das schulische Wohlbefinden nachhaltig zu verbessern.
Heike Schmoll, Korrespondentin bei der FAZ, schreibt dazu in einem Kommentar vom 21.11.2024 treffend:
„Schüler wollen lernen, brauchen dazu aber mehr Unterstützung.“
Feedback erfüllt damit zwei zentrale Ziele von Schule: Feedback unterstützt Lernprozesse und stärkt das schulische Wohlbefinden.
Was muss sich im Unterricht verändern?
Das Schulbarometer liefert am Ende klare Handlungsempfehlungen und spricht sich für mehr Feedback aus: Ein hohes schulisches Wohlbefinden ist sowohl Voraussetzung als auch Ergebnis erfolgreicher Lernprozesse. Besonders gefährdete Gruppen wie Mädchen, Jugendliche aus armutsgefährdeten Haushalten und Schüler:innen mit psychischen Auffälligkeiten profitieren von gezielten Maßnahmen.
Der Schlüssel zur Verbesserung liegt in einer gesteigerten Unterrichtsqualität, insbesondere durch konstruktive Unterstützung und Feedback im Lernprozess.
Dazu gehört, dass Lehrkräfte kontinuierlich und individuell auf die Bedürfnisse ihrer Schüler:innen eingehen und regelmäßige, konstruktive Rückmeldungen geben. Dieses Feedback sollte nicht nur den aktuellen Lernstand widerspiegeln, sondern auch Mut machen, Herausforderungen anzunehmen und ein „growth mindset“ zu entwickeln. Eine Kultur, die das Lernen und nicht nur das Leisten in den Vordergrund stellt, ist essenziell, um Schüler:innen zu ermöglichen, ihre Fähigkeiten besser einzuschätzen und ein positives Selbstkonzept zu entwickeln.
Um diese Förderkultur zu etablieren, sind datengestützte Diagnostik, alternative Prüfungsformate und eine flexible Gestaltung von Prüfungszeiten notwendig.
„Die Verabschiedung von einer allgemeinen Selektionskultur hin zu einer individuellen Förderkultur markiert ein Umdenken des Unterrichtsverständnisses – nämlich vom ‚Leisten‘ hin zum ‚Lernen‘. (Deutsches Schulbarometer, Seite 84)“
Durch eine solche Veränderung wird die individuelle Lernentwicklung in den Mittelpunkt gerückt und nachhaltiges Lernen gefördert.
Welchen Beitrag leistet KI Feedback zum schulischen Wohlbefinden der Schüler:innen?
Die Ergebnisse des Schulbarometers zeigen, dass sich Schüler:innen regelmäßig wertschätzendes und lernförderliches Feedback wünschen. Aufgrund der zeitlichen Ressourcen sind Lehrkräfte dazu oft nicht in der Lage.
KI-Feedback-Tutoren wie Fiete.ai können Lehrkräfte dabei unterstützen und einen Beitrag dazu leisten, dass alle Schüler:innen systematisch konstruktive Rückmeldungen erhalten und das schulische Wohlbefinden steigt.
Prof. Julian Schmitz fasst die Vorzüge von KI-Feedback so in seinem Blogbeitrag vom 29.04.2024 zusammen:
„KI-Feedback wie Fiete ermöglicht es damit noch deutlich besser, die Heterogenität von Schülerinnen und Schülern in ihrem psychischen Wohlbefinden inklusive individueller Hemmschwellen zur Inanspruchnahme von Feedback zu berücksichtigen. KI-Feedback ist also ein wichtiger Schritt hin zu einer Demokratisierung des Feedbacks unter Berücksichtigung der Individualität von Kindern und Jugendlichen.“
Persönliches Feedback durch die Lehrkraft, Feedback durch Mitschüler:innen, Selbsteinschätzung und KI-Feedback müssen zukünftig kombiniert werden, um den im Schulbarometer von den Schüler:innen formulierten Bedarf nach systematischen Rückmeldungen zu entsprechen.
Quellen
Schmitz, Julian: KI-Feedback als neuer Weg, psychische Gesundheit und Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen zu fördern. https://www.fiete.ai/blog/ki-feedback-als-neuer-weg-psychische-gesundheit-und-wohlbefinden-von-kindern-und-jugendlichen-zu-foerdern (29.04.2024)
Schmoll, Heike: Schüler brauchen mehr Rückmeldungen. https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/schulbarometer-schueler-brauchen-mehr-rueckmeldungen-110123661.html (21.11.2024)
Robert Bosch Stiftung (2024). Deutsches Schulbarometer: Befragung Schüler:innen. Ergebnisse von 8- bis 17-Jährigen und ihren Erziehungsberechtigten zu Wohlbefinden, Unterrichtsqualität und Hilfesuchverhalten. Robert Bosch Stiftung.
Autor
Hendrik Haverkamp ist Lehrer am Evangelisch Stiftischen Gymnasium, Mitglied im Institut für zeitgemäße Prüfungskultur, Co-Leiter des Virtuellen Kompetenzzentrums Schreiben Lehren und Lernen mit KI (VK:KIWA) und Co-Gründer von Fiete.ai.